Friday, March 10, 2006

Herbstliche Fruehlingsgefuehle

Dieser Eintrag ist eigentlich Teil eines Projektes aus 2005, das leider nie "veroeffentlicht" wurde. Der Plan Dies sind Gedanken zum Thema "Fruehling" die im Maerz 2005 entstanden sind:

„Na?! Wie geht’s dir? Jetzt wo endlich Frühling ist geht es einem doch gleich richtig gut, oder? Da fühlt man doch so richtig den Neuanfang, da blüht man doch selbst richtig auf! Wenn man die ganze Krokusse sieht, wie die ihre kleinen Köpfchen aus der Erde strecken. Es ist als würde alles auf einmal neu erwachen und das Leben wieder so richtig beginnen. Das ist doch einfach ein tolles Gefühl, ODER? Hey, sag doch mal was – Was machen deine Frühlingsgefühle……“

Ich stehe da und befinde mich nicht mehr in meinem Körper. Ich starre diese Frau an, die Ihre Frühlingshaften „Neuanfangs-ich-fühl-mich-wie-ein-neuer-mensch-gefühle“ über mich ergießt. Kenne ich diese Frau? Was versucht sie mir da zu erzählen?

Frühling.

Ist das ein Zustand? Und wenn ja wessen Zustand ist es? Ein Zustand der Natur? Ein Zustand der Wetterlage? Ein Zustand des Krokus-Kopfes? Ein Zustand der Welt? Oder etwa ein Zustand des Menschen?

Ich frage mich warum ich nie einem Menschen begegne der diese „Neuanfangs-ich-fühl-mich-wie-ein-neuer-mensch-gefühle“ zu Beginn des Winters über mich ergießt. Ich fühle mich desorientiert. Eben noch herrschte Herbst. Der Frühling ist jetzt und hier auf diesem kleinen Flecken Erde während an einem anderen Fleck Erde weit im Süden auf Afrikanischem Boden Herbst ist. Nicht der Herbst, den wir hier kennen. Ein langer warmer und sonniger Herbst. Ein trockener Herbst in dem sich die meisten Menschen den Regen wünschen weil sie ihre Gärten nur noch ein Mal pro Woche für zwanzig Minuten wässern dürfen. Diese Menschen haben sicher im Frühling – pardon, im Herbst noch nicht die selben „Krokus-assoziierten-mir-geht-es-ja-so-gut-gefühle“ kennen gelernt. Schade für sie, denn es ist etwas Besonderes wenn nach so langem Winterschlaf die Erde wieder aufbricht – die Menschen wieder aufbrechen.

Sie tun es, sie tun es überall um mich herum. Gestern hat mich mein Nachbar, der mir sonst niemals in die Augen sieht gegrüßt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch er den Krokus-Gefühlen erlegen war. Wie schön für ihn. Ich lächle zurück und grüße ihn. Nur fehlt mir da etwas. Es ist das Krokus-Gefühl. Ich merke, dass ich wütend bin auf all die Krokusse und Osterglocken und verdammten Schneeglöckchen. Sie scheinen mir mit ihren bunten fröhlichen Farben eine Erklärung zu klauen. Ich komme nicht hinterher hinter dem Frühling.
Wo ist er, der Neuanfang? Wo ist die Klarheit mit der alles Leben so klein und rein neu beginnt. Wo ist die Energie, die aus all den gelben und lila Blüten in die Wellt hinaus schreit? Diese Krokusse wachsen viel zu schnell, denke ich. Und überhaupt – warum erwartet diese Frau die mir da gegenüber steht dass so ein Krokus-Kopf meine Seele plötzlich umkrempelt? Vielleicht ist in meiner Seele gar nicht Frühling, vielleicht ist dort Herbst. Und überhaupt, wer sagt denn dass es in meiner Welt nicht auch mehrere Jahreszeiten gibt. Vielleicht befinde ich mich gar nicht im Berliner Frühling sondern im Afrikanischen Herbst. Oder vielleicht im Berliner Herbst mit Afrikanischen Krokussen?

In diesem Moment kehre ich wieder zurück in meinen Körper. Ich starre sie immer noch an, diese Frau in mir, die von mir erwartet, dass meine Seele im Gleichschritt mit den Krokussen marschiert. Es funktioniert nicht. Ich bin kein Krokus.

Ich wende den Blick von den kreischenden gelben und lila Blüten und sehe die Trauerweiden die am Wasser stehen. Und plötzlich sehe ich den Frühling. Die Äste, die den ganzen Winter braun herunter hingen zeigen einen leichten, leisen Schatten von Grün. Eine sanfte stille Energie, die sich langsam ihren Weg bahnt. Und in diesem Moment habe ich ein Frühlings-Gefühl.

Kein Krokus-Gefühl.

Ein Weiden Gefühl.

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